"Vereinigt Euch!"

Amateurtheaterfestival "Vereinigt Euch!"

Amateurtheaterspieler/-innen aus Ost und West zu Gast in Backnang

30 Jahre ist es her, dass Deutschland Ost und Deutschland West wiedervereinigt wurden – verbunden mit Hoffnungen, Ängsten, Träumen, Zerwürfnissen und neuen, erfolgreichen oder scheiternden Lebensentwürfen. Die Wiedervereinigung ist dem Mut vieler ostdeutscher Menschen zu verdanken, ihre Lebenssituation in einer Diktatur nicht mehr länger hinzunehmen. Sie war ein Zeichen dafür, dass ein Staat sich nur dann zum Besseren verändern kann, wenn Menschen sich trauen, sich einmischen, sich engagieren. Jenseits der Lockstoffe einer prosperierenden Wirtschaft ging es um die Sehnsucht nach Demokratie, nach ihrem Freiheitsversprechen.​

 

Was hat sich in all den 30 Jahren verändert, was ist geblieben von den Hoffnungen, wie haben sich Ost und West angenähert – oder auch nicht? Diese und viele andere Fragen mehr wollen wir unter der Überschrift „Vereinigt euch!“ verhandeln bei einem Treffen von Amateurtheatergruppen aus dem Osten und aus dem Westen der Republik.

 

Das Theater ist genau der richtige Ort, um derlei Fragen zu erörtern, um sich den Alltagserfahrungen der Menschen zu nähern: Wie ist es wirklich? Sich trauen, sich einmischen, sich engagieren: Das taten Menschen immer schon auf den vielen, vielen Bühnen des Landes. Weil es ihnen wichtig ist. Mal im Mantel eines klassischen Stoffs, mal mit den Mitteln der Gegenwartsdramatik, mal mit selbstentwickelten Stücken.

 

Fünf Gruppen aus Dresden, Mannheim, München, Weimar und Backnang zeigen sich gegenseitig und dem Publikum ihre Stücke, treffen sich in Workshops, übernachten in der Stadt. Eine immense Herausforderung: ein Treffen, ohne sich zu nahe zu kommen. Das erste Amateurtheatertreffen in Backnang wird also gleich ein Experiment unter besonderen Corona-Bedingungen.

 

Die Stärke der Demokratie, die Notwendigkeit des Dialogs: Das Festival soll nicht zuletzt diesem Dialog dienen. Sich öffnen, sich kennenlernen, über den eigenen Tellerrand hinausschauen sind die Grundbedingungen einer Gesellschaft, will sie nicht in gegenseitigen Ressentiments und Unverständnis erstarren. Gerade jetzt zeigt sich schließlich: Gefahren, die alle angehen, können nur von allen gemeinsam überwunden werden. Theater ist systemrelevant. Weshalb beim Festival auch neue Formate ausprobiert werden sollen, um Theaterarbeit unter Coronabedingungen weiterzuführen. Es ist immer an der Zeit: Vereinigt euch!

 

 

Teilnehmende Amateurtheatergruppen:

STADTENSEMBLE // Nationaltheater Mannheim

Das Manifest des Mannheimer Stadtensembles:

Wir sind eine Gruppe von Menschen aus Mannheim und Umgebung. Wir kommen von hier und von ganz weit weg. Das macht uns aus, ist aber nicht immer wichtig. Wir sind Botschafter*innen, Repräsentant* innen und unabhängige Künstler*innen dieser Stadt. Im Kern ganz fest, für Neuzugänge immer offen. Wir sind meistens nicht für Theaterberufe ausgebildet. Wir spielen keine Theaterrollen. Wir sind Profis des Lebens, Suchende, Lernende und Weise: Wir bringen unsere vielfältigen Lebenserfahrungen in unsere Inszenierungen mit ein. Wir gehören verschiedenen Generationen an. Wir sprechen mehrere Muttersprachen und wollen diese im Theater benutzen. Wir spielen um zu bewegen, zu berühren und Aufmerksamkeit zu erregen. Unsere Kunst ist politisch. Wir verstehen uns als Verbindungsglied zwischen Stadt und Theater mit eigenem Fokus und weitem Herzen. Wir begegnen Zuschauer* innen auf Augenhöhe. Wirklich. Wir wollen auch Menschen außerhalb der Theaterblase erreichen. Wir wollen Neues entdecken. Immer und immer wieder. Für uns sind Toleranz, Wertschätzung und Verständnis Fundament unserer Gemeinschaft. Wir entscheiden gemeinsam. Auch über Geld. Wir sind eine gut organisierte Gruppe, in der Alle Verantwortung übernehmen. Das schmeckt nicht immer. Wir machen es trotzdem. Wir nehmen uns die Freiheit, scheitern zu dürfen. Wir arbeiten mit den Mitteln und Formen des experimentellen Theaters. Und das Nationaltheater? Mögen wir! Dennoch gehen wir manchmal andere Wege. Wir sind das Mannheimer Stadtensemble. Wir haben noch viel vor.

 

"DRÜBEN UND DRÜBEN"

Theaterspaziergang nach dem Roman von David Wagner und Jochen Schmidt und weiteren Texten von Lea Langenfelder

 

Zwei Autoren beschreiben in dem Wenderoman „Drüben und Drüben“ die Orte ihrer Kindheit – die eine in Westdeutschland, die andere in der DDR. Inspiriert von der Gegenüberstellung dieser beiden Erfahrungsräume widmete sich das Mannheimer Stadtensemble den deutsch-deutschen Parallelgesellschaften in der eigenen Stadt – und der Frage, wie nah und zugleich fern sich unsere Lebenswelten auch dreißig Jahre nach dem Mauerfall sein können.

 

Für das Festival „VEREINIGT EUCH!“ adaptiert das Mannheimer Stadtensemble die Inszenierung für Orte in Backnang.

 

MANNHEIMER STADTENSEMBLE - Foto: Christian Kleiner

DIE BÜHNE // TU Dresden

Jung, leidenschaftlich und gerade heraus: Seit mehr als sechzig Jahren machen professionelle Regisseure*innen und Künstler*innen mit Laiendarstellern*innen gemeinsame Sache und inszenieren für ein Publikum, das sich für ungewöhnliches Theater interessiert.

Immer nah dran – mit Witz, Begeisterung und einer Portion Idealismus hinterfragt DIE BÜHNE Alltagsrealitäten, das Universum und den ganzen Rest. Der Verein wird großzügig von der TU Dresden unterstützt und ist eines der größten studentischen Theater der Republik.

 

"FUGE 89 - ENTWENDETE BIOGRAFIEN"

„Klar fanden wir das damals gut, wo die Wende war. Weil alles schön bunt war und das hat alles so lecker geschmeckt…“

Aber war es wirklich so? Und ist nicht „letztlich der ganze Westen ohne Geld scheiße“? Was empfanden die Menschen kurz nach dem Fall der Mauer, was hat sie angetrieben, verunsichert oder verärgert?

Diese und weitere Fragen sind Ausgangspunkt für die Inszenierung „Fuge 89“: Zeitzeugen verschiedener Generationen aus Dresden und dem Raum Ústí nad Labem wurden nach ihren Erinnerungen von 1989 befragt. Die Inszenierung spürt diesen Biografien diesseits und jenseits der deutsch-tschechischen Grenze nach und setzt sie mit den eigenen Lebenserfahrungen der Darsteller*innen in Beziehung. Von der Zwangsgemeinschaft über die Mangelwirtschaft und friedliche Revolution bis hin zu den Lebenswegen nach der Wende – alles spielt eine Rolle, ist zugleich Anfang und Ende, Freud und Leid im geteilten Erinnerungsraum.

 

DIE BÜHNE DRESDEN - Foto: Maximilian Helm

AKADEMISCHER GESANGVEREIN // München

Als Theatergruppe des Akademischen Gesangvereins, der 1861 in München gegründet wurde, dürfen sie sich stolz die am längsten bestehende Amateurtheatergruppe Münchens nennen.

Bei der Stückauswahl bauen sie auf Vielfalt. Unter der langjährigen, professionellen Regie von Gisela Maria Schmitz entstanden bisher Stücke von klassischen und zeitgenössischen Autoren, genauso wie das Musical »Cabaret« oder das Singspiel »Im weißen Rössl«. Überhaupt lieben sie Theater mit Musik und so haben sie ebenfalls Schlagerabende über die 20er, 50er und 60er Jahre auf die große Bühne des AGV gebracht.

Die Gruppe besteht aus einem »festen Kern« von ca. 10 Schauspieler*innen, die zum Teil seit über 20 Jahren dabei sind und aus wechselnden, neuen Mitspieler*innen. Sie alle lieben Theater und wissen: Der Erfolg ist immer ein Gemeinschaftsprodukt.

 

"DAS ACHTE LEBEN. FÜR BRILKA"

Ein 2014 erschienenes und als »Jahrhundertroman« gefeiertes Werk der georgischen Schriftstellerin Nino Haratischwili, ist eine Familiensaga, deren Bogen sich vom zaristischen Russland bis in das Berlin der Nachwende spannt und damit geprägt ist von den Ereignissen des 20.Jahrhunderts. Ein Jahrhundert der Revolutionen und Kriege, aber auch der Utopien und schließlich dem Fall der Mauer.

Mit magischem Realismus erzählt das Stück von Anpassung und Widerstand, Liebe, Hass und Lebenswillen. Es wird die von der Autorin 2017 eigens für das Thalia Theater Hamburg geschriebene Bühnenfassung des Romans gespielt. 

 


Das Gastspiel wird u.a. gefördert durch den Freundeskreis des Akademischen Gesangvereins München.

 

 

THEATERGRUPPE DES AGV MÜNCHEN - Foto: Christine Mahler

BÜRGER*INNEN ENSEMBLE // Nationaltheater Weimar

Im Sommer 2019 bildeten für dieses Inszenierungsprojekt 15 Menschen im Alter von 12-84 Jahren ein Bürger*innen-Ensemble. Sie interviewten in Stadtspiel-Aktionen und geselligen Runden in der Öffentlichkeit Menschen zu ihrer Sicht auf Deutschland und zu gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen. Es ging immer um die Verbindung zwischen dem Politischen und dem Privaten. Daraus ist ein gemeinsamer Theaterabend entstanden, bei dem Feste gefeiert und Kämpfe ausgetragen werden.

 

"FAMILIENFEST"

Wie gehen wir innerhalb einer Familie miteinander um, wenn wir die Welt anders sehen als unsere Verwandtschaft? Hören wir einander zu? Oder gehen wir in den aktiven Widerstand? Und, was heißt das für unsere gesamte Gesellschaft, wenn sich in der Familie als kleinster sozialer Einheit unüberwindbare Gräben auftun? Wie lassen sich trotzdem Anknüpfungspunkte finden?

Das Projekt bedient sich der immer wiederkehrenden Situation eines Familienfestes, in der neben allen möglichen auch immer wieder politische Themen an die Oberfläche dringen und von verschiedenen Generationen verhandelt werden.

 

BÜRGER*INNEN ENSEMBLE NATIONALTHEATER WEIMAR - Foto: Candy Welz

BÜRGERBÜHNE // Backnang

Im Herbst 2013 wurde die Backnanger Bürgerbühne ins Leben gerufen. 

Das Angebot einer Bürgerbühne an einem Theaterhaus ermöglicht die künstlerische Beteiligung der Stadtbevölkerung. Bürgerbühnen präsentieren das Theater als Begegnungsraum, als Ort der Begegnung und des Austausches und bieten Möglichkeiten der Beteiligung, das Einbringen von Ideen und Interessen. Das Motto lautet: „Tua res agitur – Deine Sache wird verhandelt“! Die Teilnehmer qualifizieren sich durch die Lust am Spielen und den Mut, sich in den Prozess einer Theaterproduktion zu begeben. Das Theater kann also als Sprachrohr der Bürger fungieren.

 

"DIE LETZTE SAU"

Lust auf ein Volkstheater-Stück, saftig, komisch, tragisch, qui(e)cklebendig? Das sich ausgesprochen unkonventionell mit der Frage nach unseren Werten im alltäglichen Umgang mit unseren Lebensmitteln beschäftigt?

Wild geht‘s zu in dem Stück, das auf dem gleichnamigen Film von Aron Lehmann basiert und von einem vom Unglück gezeichneten Jungbauern und seinen Erlebnissen auf einer Reise quer durch Deutschland erzählt – immer der Liebe hinterher von Schwaben nach Brandenburg. Es entsteht eine manchmal vergnügliche, manchmal melancholische, knallbunte und anarchische Reisegeschichte durch Land und Landwirtschaft, die erzählt von der Lebensmittelproduktion, von Bauern, Bankern, Imkern, Metzgern – und Tieren.

Ein putzmunteres Projekt auf schwäbisch, inszeniert von Michael Bleiziffer (der Regisseur der »Judith von Backang«), mit Musik (musikalische Leitung Petra Fierlbeck) der Band »Ton Steine Scherben«.

 

BÜRGERBÜHNE BACKNANG - Foto: A. Becher

Weitere Informationen folgen in Kürze!

Termine

Termine

Do. 01.10. - So. 04.10.2020 

EinlassEinlass jeweils 10 Minuten vor Vorstellungsbeginn
Eintritt

5,- Euro

Tickets

Karten gibt es an der Theaterkasse. Wir bitten um eine Anmeldung vorab unter 07191 933 333 5 oder info@bandhaus-theater.de

 

Donnerstag, 01.10.2020 16:30 (öffentliche Vorstellung) und 19 Uhr:

"DRÜBEN UND DRÜBEN" // STADTENSEMBLE des Nationaltheaters Mannheim

 

Freitag, 02.10.2020 um 14 Uhr:

"FUGE 89 - ENTWENDETE BIOGRAFIEN" // DIE BÜHNE der TU Dresden

 

Freitag, 02.10.2020 um 18 Uhr:

"DAS ACHTE LEBEN. FÜR BRILKA" // AKADEMISCHER GESANGVEREIN München

 

Samstag, 03.10.2020 um 19 Uhr:

"FAMILIENFEST" // BÜRGER*INNEN ENSEMBLE des Deutschen Nationaltheaters Weimar

 

Sonntag, 04.10.2020 um 10 Uhr:

"DIE LETZTE SAU" // BACKNANGER BÜRGERBÜHNE E.V.

Zurück